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Vizepräsidentin Anke Fuchs: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die PDS fünf Minuten erhalten soll. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Kollegin Petra Pau, PDS-Fraktion. Petra Pau (PDS): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir uns binnen eines halben Jahres erneut mit der Rehabilitierung und Entschädigung politisch Verfolgter der DDR befassen müssen, war vorhersehbar. Der Grund liegt darin, dass die Verbesserungen, die im Dezember 1999 beschlossen wurden, zum Teilhalbherzig und vor allem bürokratisch waren. Ich wiederhole das auch deshalb, weil wir seinerzeit schon weiter gehende Anträge gestellt haben. Vielleicht erinnert sich auch Herr Staatsminister Schwanitz noch daran. Ich hoffe, dass ich künftig in Veranstaltungen mit Betroffenen nicht mehr damit konfrontiert werde, dass mit Bezug auf ihn behauptet wird, die PDS blockiere die erweiterten Entschädigungszahlungen sowie die unbürokratische Lösung dieses Problems. Es ist zum einen zu viel der Ehre, dass Sie meinen, wir könnten das blockieren; zum anderen entspricht es aber auch nicht den Tatsachen. Sie erinnern sich: Wir haben im Dezember weiter gehende Vorschläge gemacht. Die PDS-Fraktion hat drei Anträge gestellt. Wir wollen, dass erstens die entschädigungsberechtigten Opfer ihre Nachzahlungen von Amts wegen erhalten – die Praxis seit In-Kraft-Treten des Gesetzes am 1. Januar 2000 zeigt, dass viele Betroffene trotz aller Öffentlichkeitsarbeit nicht erreicht wurden und somit nicht in der Lage waren, ihre Anträge zu stellen –, zweitens verfolgte Schülerinnen und Schüler, denen Berufs- und Studienmöglichkeiten verwehrt wurden, in den rentenrechtlichen Nachteilsausgleich einbezogen werden, drittens Haftfolgegesundheitsschäden dort anerkannt werden, wo sie zu vermuten sind. Sie wissen alle – wir haben noch die Schilderungen der Betroffenen im Ohr –, wie schwierig es heute ist, Nachweise für diese Schäden zu erbringen. Dazu gehört, Herr Schwanitz, auch die Einlösung Ihres Versprechens, dass abgelehnte Anträge auf Anerkennung haftbedingter Gesundheitsschäden nochmals von qualifizierten Gutachtern überprüft werden sollen. Kurzum: Wir wollen gleiches Recht für bislang benachteiligte Opfergruppen und wir wollen im Interesse der Betroffenen bürokratische Hürden abbauen. (Beifall bei der PDS) Alle drei Vorschläge haben bereits im Dezember eine Rolle gespielt und wurden auch in der Anhörung des Ausschusses für Angelegenheiten der neuen Länder am19. November 1999 von Betroffenen und den Sprechern ihrer Verbände formuliert und begründet. Wir beantragen, dass diese notwendigen Nachbesserungen so in Gesetzesform gegossen werden, dass diese per 3. Oktober 2000 – also zum zehnten Jahrestag der staatlichen Einheit in Kraft treten können. Es liegt uns ein weiterer Antrag der CDU/CSU-Fraktion vor, nämlich der Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht. Mit diesem werden ebenfalls Forderungen aus den Opferverbänden aufgegriffen, vor allem die nach einer Ehrenpension für die Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet. Beide Anträge – der der PDS und der der CDU/CSU – korrespondieren miteinander, gehen aber auch jeweils weiter als der andere. So hat die CDU/CSU mit ihrem Entwurf die Betroffenen im Blick, die bereits Entschädigungen erhalten, das heißt, diese Anerkennung besitzen, während die PDS weitere Betroffene einbeziehen will. Umgekehrt will die CDU/CSU die Höhe der Entschädigung anheben, und zwar auf eine nicht anrechnungsfähige Pension von 1 000 DM monatlich. Ich denke, wir sollten diese beiden Anträge in den Ausschüssen gemeinsam prüfen und die zum Teil vorhandenen Fragezeichen in der konkreten Umsetzung gemeinsam auflösen. Auch das vorgeschlagene Finanzierungsmodell, mit dem der Bund zu 60 Prozent und die Länder – also wohl vorwiegend die neuen Bundesländer – zu 40 Prozent zuständig würden, gehört aus meiner Sicht auf den Prüfstand. Danke schön. (Beifall bei der PDS) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat der Kollege Günter Nooke von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. Günter Nooke (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die Zeit nutzen, um unseren Gesetzentwurf noch einmal zu begründen, da es – Frau Pau, Sie müssen das einfach akzeptieren – für viele Opfer schwierig ist, wenn Sie sich als ehemalige Pionierleiterin und Privilegierte des Systems dieses Themas allzu stark annehmen. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der PDS) Ich will aber deutlich sagen: Wenn wir in der Sache gemeinsam vorankommen, ist das mit Ihnen auch zu machen. Die Hauptsache ist, dass wir am Ende materiell zugunsten der Opfer etwas erreichen. Vor knapp zwei Wochen, am 17. Juni, nahm ich an einer Gedenkfeier ehemaliger Häftlinge in Berlin-Charlottenburg teil. An diesem Jahrestag des Volksaufstandes gegen die SED-Diktatur in der DDR, der lange Zeit auch bundesdeutscher Feiertag war, nahmen nur wenige Menschen teil. In absehbarer Zeit wird es kaum noch Zeugen des Aufstandes von 1953 geben. Vor fast genau einem Jahr, am 17. Juni 1999, habe ich in diesem Hohen Hause ebenfalls zu diesem Thema gesprochen. Die damalige Rede stand noch ganz unter dem Eindruck des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Sonderrenten für diejenigen, deren Versorgung der SED besonders am Herzen lag. Seither leben ehemals Privilegierte des SED-Regimes im Rechtsfrieden. Angeblich hat dieses Urteil, wie eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung damals mit Bezug auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lautete, die notwendige Klärung herbeigeführt und eben zu jenem Rechtsfrieden geführt. Nun kann man sich gewiss gut vorstellen, dass allein aufgrund der Nachzahlungen, die der betroffene Personenkreis erhält, ein friedliches Leben im Rechtsstaat mehr als nur gesichert ist. Aber dieser Rechtsfrieden hat eine totale Schieflage. Ich will an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt nicht wiederholen, was ich damals zu diesem Urteil gesagt habe, und mein Unbehagen nicht noch einmal zum Ausdruck bringen. Mir geht es vor allem um diejenigen, die ich eingangs genannt hatte. Es geht um eine schnelle und unbürokratische Lösung für die in der DDR politisch Verfolgten. Sie ist dringlicher denn je. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, wir müssen genau hinhören und hinschauen, wie unser Umgang mit 40 Jahren SED-Diktatur im Deutschen Bundestag bei den Opfern wahrgenommen wird. Sie können nicht so laut schreien, wie es mit vielfältiger Unterstützung den Privilegierten des SED-Regimes möglich war. Wir haben heute Vormittag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion gesprochen. Wir haben damit über die Erfolgsgeschichte dieses Landes debattiert; darüber kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Für die meisten Menschen in unserem Land war das ein politischer Erfolg, und für die Menschen in der damaligen DDR war es ein politischer und wirtschaftlicher Erfolg. Die Hoffnungen derjenigen, die bis 1989 dem politischen System der DDR Opposition und Widerstand entgegengesetzt hatten, haben sich allerdings nur zum Teil erfüllt. Ich sage hier ganz bewusst als Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: In diesem Hohen Hause ist in den vergangenen Jahren, nicht nur im letzten Jahr, zu wenig für die Opfer der SED-Diktatur getan worden.(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kann die CDU/CSU mal klatschen!) – Ja, da können wir klatschen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gerade an der Debatte über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ist doch heute Vormittag eines klar geworden: dass dringende politische Entscheidungen notwendig sind und nicht nur von der Kassenlage abhängig gemacht werden dürfen. Ich halte die Frage nach einer angemessenen und gerechten Entschädigung für die Opfer der SED-Diktatur in erster Linie für eine Frage des politischen Willens. Wir hier im Deutschen Bundestag sollten diesen politischen Willen demonstrieren und eine solche angemessene Entschädigung durchsetzen, und zwar jetzt. Ich hatte vor einem Jahr bei der Begründung des damals von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten Gesetzentwurfes zum Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses nur einen ersten, viel zu bescheidenen Beitrag zur Verbesserung der Lage der Opfer des SED-Regimes zu leisten vermag. Ich hatte weiterhin zu Protokoll gegeben, dass sich künftige Regelungen in dieser Frage in stärkerem Maße an den von den Opferverbänden geforderten 1 400 DM monatliche Rente orientieren müssten. Eine Orientierung an den Renten für Opfer des Nationalsozialismus – das ist ja die Grundlage für die Forderung der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft – ist aus unserer Sicht durchaus verständlich. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass es beim Rückblick auf die beiden deutschen Diktaturen im vergangenen Jahrhundert keine Opfer zweiter Klasse geben darf. Eine Behandlung des Themas ausschließlich nach Kassenlage halte ich in diesem Falle auch deshalb für schädlich und unaufrichtig, weil eben diese Nachzahlungen aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, die vielen ehemaligen SED-Kadern – Professoren für Marxismus-Leninismus und sozialistisches Recht – zuteil werden, letztlich mehr Geld erfordern als die berechtigten Vorstellungen der SED-Opfer. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Herr Staatsminister Schwanitz, Sie sagten in der Debatte über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion heute Morgen, man müsse sich gegen den Angriff auf die offene Gesellschaft wehren und sich diesem entschlossen entgegenstellen. Was meinen Sie denn damit? Sollen etwa unter Einschluss der alten SED-Kader Bündnisse gegen Rechtsextremismus geschmiedet werden? Sollen ehemalige Staatsbürgerkundelehrer der DDR den Schülern mit antikapitalistischem, ideologischem Unterton die notwendige Toleranz gegenüber Ausländern beibringen? (Zurufe von der PDS) Auf der anderen Seite werden diejenigen, die sich zu Zeiten der SED-Diktatur gegen diese SED-Kader, ML-Professoren und Staatsbürgerkundelehrer oft mit nicht mehr als einem mutigen Wort wehren konnten, weiter mit Füßen getreten. Schafft das wirklich Bewusstsein? Trägt das zur politischen Bildung bei? Ich glaube, die Bundesregierung will mit dem, was sie an Billigregelungen beim Thema Opfer der SED-Diktatur anbietet, dies sogar abschließend regeln. Ich sage deutlich für meine Fraktion: Wir werden dies nicht zulassen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die CDU/CSU-Fraktion möchte mit dem vorliegenden Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht einen wirklichen Rechtsfrieden im Lande herstellen. Wir halten die derzeitigen Rentenregelungen für politische Opfer des SED-Regimes für nicht ausreichend und demzufolge für ungerecht. Von einem Rechtsfrieden kann keine Rede sein. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf würde man aus unserer Sicht nicht nur der Situation der Opfer politischer Verfolgung in der DDR gerecht werden und diese weiter verbessern; vielmehr wäre die von meiner Fraktion vorgeschlagene Ehrenpension von 1 000 DM monatlich auch ein deutliches politisches Signal. Wir haben außerdem klargestellt, dass die Kapitalentschädigung – 1 000 DM pro Haftmonat – auch ein Signal für die Andersartigkeit der Haft in Bautzen im Vergleich zur Haft im heutigen Moabit wäre. Ich glaube, auch die Verschleppten jenseits von Oder und Neiße brauchen eine unbürokratische Regelung. Aber ich sage ganz deutlich: Der besondere Stellenwert und die Bedeutung von Opposition und Widerstand werden mit diesem Gesetz hervorgehoben. Die Menschen, denen mit diesem Gesetz geholfen werden soll, haben zu Zeiten der Diktatur für eine offene Gesellschaft gekämpft. Auf diese Menschen, Herr Schwanitz, müssten Sie zugehen, wenn Sie ein Zeichen setzen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.) Opposition und Widerstand gegen die SED-Diktatur, die diese schließlich beseitigt haben, gehören zu den historischen Leistungen, auf die alle Deutschen mit Recht stolz sein können. Fast 150 Jahre deutscher Geschichte ohne erfolgreichen Kampf für Freiheit wurden mit dem Zusammenbruch der DDR beendet. Aber dies war mit vielen persönlichen Opfern verbunden. Solange sich die Opfer des SED-Regimes wie politische Opfer zweiter Klasse fühlen müssen, solange ist nach meiner Auffassung der Rechtstaat in der Pflicht. Der materielle Wert der Ehrenpension wird die verlorenen Jahre der Haft und die Zeit der intensiven Verfolgung durch die Staatssicherheit der DDR auch diesmal nicht wiederbringen können. Aber eine Ehrenpension kann in sozialer und ökonomischer Hinsicht die fortwirkenden Probleme, unter denen gerade die Opfer der SED-Diktatur zu leiden haben, lindern helfen. Unser Ziel ist es, mit unserem Gesetzentwurf, den Sie gut und gern auch als einen Neuanfang bei uns verstehen können, jetzt eine endgültige Regelung für die Opfer durchzusetzen. Auch dies ist eine grundsätzliche Voraussetzung zur Erlangung wirklichen Rechtsfriedens. Wir sollten nicht wie in anderen Fällen 50 oder 60 Jahre warten. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Vokabeln "sozialer Frieden" und "soziale Gerechtigkeit" benutzen gerade die Sozialdemokraten sehr häufig. Ich möchte Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, ganz besonders darum bitten, den vorliegenden Gesetzentwurf auf Brauchbarkeit zu prüfen und gemeinsam mit uns schnell und erfolgreich über ihn zu verhandeln. Herr Staatsminister Schwanitz, das ist auch ein Angebot an die Bundesregierung, ihre bisherige Politik zu diesem Thema zu überdenken. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Das Wort hat nun die Kollegin Barbara Wittig, SPD-Fraktion. Barbara Wittig (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu Herrn Nooke. Herr Nooke, ich weiß, dass Sie gerne polarisieren; insofern habe ich mich über manche Passagen Ihrer Rede nicht gewundert. Das möchte ich als Vorbemerkung sagen. (Günter Nooke [CDU/CSU]: Sie dürfen nicht immer ablesen! Sie müssen auch einmal zuhören, was ich gesagt habe! – Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Wo denn?) – Darauf komme ich nachher gerne zurück. Als wir am 26. November des vergangenen Jahres denn Gesetzentwurf zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für die Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR verabschiedet haben, waren wir uns einig, dass wesentliche Verbesserungen für die Betroffenen erreicht werden konnten. Die Rehabilitierung und die Entschädigung der Menschen, die in der DDR und zuvor in der Sowjetischen Besatzungszone Opfer der politischen Verfolgung geworden sind, sind eine Anerkennung des Leids der Verfolgten und ihrer Widerstandsleistung. Die Leistungen nach den Rehabilitierungsgesetzen können jedoch nur Nachteile ausgleichen. Mit Geld aufzuwiegen ist das erlittene Schicksal, das den Menschen zugefügte Leid jedoch nicht. Diese Sicht entspricht auch dem Geist der Ehrenerklärung des Deutschen Bundestages vom 17. Juni 1992, in der all jenen tiefer Respekt und Dank bezeugt wird, die durch ihr persönliches Opfer dazu beigetragen haben, nach über 40 Jahren das geteilte Deutschland in Freiheit wieder zu einen. Die gesetzlichen Regelungen zur Rehabilitierung und Entschädigung haben die Situation der Opfer der politischen Verfolgung nachhaltig erleichtert und verbessert. Zu nennen sind zum Beispiel die nun einheitliche Haftentschädigung von 600 DM pro Haftmonat, die bessere Unterstützung der Hinterbliebenen von Todesopfern, die Verlängerung der Antragsfristen aller drei Rehabilitierungsgesetze um zwei Jahre. Dies sind wirklich wesentliche Verbesserungen. (Beifall bei der SPD) Auch die PDS kommt mit ihrem Antrag auf Drucksache 14/2928 nicht umhin, dies anzuerkennen. In Nr. 1 ihres Antrags fordern Sie, dass die bereits anerkannten Opfer entsprechende Nachzahlungen von Amts wegen erhalten. Bisher ist ein formloser Antrag erforderlich. Das von der PDS geforderte Verfahren führt zu einem unvertretbaren hohen Verwaltungsaufwand und mindert ihn nicht etwa, wie die PDS behauptet. Erinnern Sie sich doch bitte an die Berichterstattergespräche im vergangenen Herbst! Wir haben über diese Probleme diskutiert und erkannt, dass beispielsweise die für die Auszahlung der Kapitalentschädigungen zuständigen Landesbehörden feststellen müssten, ob die Berechtigten noch am Leben sind, ob sie am gleichen Ort wohnen, ob sie im Falle des Wegzugs eine Feststellung des neuen Wohnortes betreiben müssten, ob sie die Abgabe an die neue zuständige Behörde veranlassen müssten und anderes mehr. Im Erbfall müssten sie die Erben ermitteln, was teilweise sehr schwierig ist. Dagegen ist die gegenwärtige Praxis über einen formlosen Antrag zumutbar und durch die Opfer und ihre Angehörigen leicht zu erledigen. Die Bearbeitung kann ohne Verzug beginnen und zügig zu Ende geführt werden. Von den Verfolgtenverbänden wird dieses Verfahren übrigens mitgetragen. Zur Einbeziehung verfolgter Schüler, wie in Nr. 2 des Antrags gefordert, ist Folgendes zu sagen: Der Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung ist strikt berufsbezogen und deswegen muss der Verfolgte bestimmten Berufsgruppen und bestimmten Qualifizierungsbereichen zugeordnet werden. (Günter Nooke [CDU/CSU]: Das ist auch ganz einfach zu klären!) Dies setzt voraus, dass das Berufsbild bereits zum Zeitpunkt des Eingriffes, also zum Zeitpunkt der Verfolgungsmaßnahme, hinreichend konkretisiert ist. Genau diese notwendige Konkretisierung des Berufsbildes fehlt bei dem Eingriff in die vorberufliche Ausbildung. Es müssten hypothetische Lebensläufe über lange Zeiträume nachvollzogen werden. (Günter Nooke [CDU/CSU]: Deshalb haben wir ja eine Änderung vorgeschlagen!) Dies dürfte fast unmöglich sein. Darüber haben wir in den Ausschüssen bereits in der Vergangenheit diskutiert. (Günter Nooke [CDU/CSU]: Das haben Ihnen die Ministerialen aufgeschrieben! Das klappt nicht!) – Herr Nooke, ich zum Beispiel durfte aufgrund meiner sozialen Herkunft nicht zur Oberschule gehen und es war nicht damit zu rechnen, dass ich einmal im Bundestag lande. Demgegenüber haben die am schwersten Betroffenen, die sofort in Haft genommenen Schüler, ihren Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung geltend machen können; denn Haftzeiten sind nach allgemeinrechtlichen Regelungen als Ersatzzeiten in der Rentenversicherung anzurechnen. Zur Anerkennung haftbedingter Gesundheitsschäden ist zu sagen: Richtig ist, dass es in der Vergangenheit bei der Anerkennung haft- bzw. verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden Probleme gegeben hat, und zwar auch nach dem Häftlingshilfegesetz. Dies wurde von den Opferverbänden zu Recht beklagt. Zur Beseitigung dieses Missstandes schlägt die PDS nun die vorhin schon angeführte Vermutungsregelung vor. Nach meiner Auffassung würde die Einführung eines solchen Vermutungstatbestandes immer auch dessen Widerlegbarkeit implizieren und die Verwaltungsbehörden gegebenenfalls sogar darauf orientieren, die in dem Antrag aufgestellten Behauptungen zu überprüfen und zu widerlegen, statt die positiven Tatsachen zu ermitteln und sämtliche Beweiserleichterungen anzuwenden. Im Übrigen dürfte bekannt sein, dass ein Vermutungstatbestand dem System des sozialen Entschädigungsrechts völlig fremd ist und unter dem Aspekt der Gleichbehandlung aller dann generell einführbar wäre. So erfolgt die Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden gegenwärtig nach den Kausalitätsgrundsätzen des sozialen Entschädigungsrechts mit wesentlichen Beweiserleichterungen wie Glaubhaftmachen, Annahme der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs und anderes mehr. Die korrekte und konsequente Anwendung des geltenden Rechts sichert den Betroffenen ihre Rechte. Eine Tagung vom 30. November bis zum 2. Dezember 1999 mit den Versorgungsverwaltungen der Länder in Magdeburg unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung hat unterstrichen, dass die bestehenden Regelungen des sozialen Entschädigungsrechts mit der dort geltenden Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingungen in jedem Fall eine sachgerechte Entscheidung garantieren, wenn alle gesetzlich vorgesehenen Beweiserleichterungen genutzt werden. Um mögliche Härtefälle auszugleichen, ist auch eine Überprüfung der seit 1991 durch Ablehnung abgeschlossenen Fälle vorgesehen. Neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, vor allem solche zu psychischen Folgen politischer Haft, lassen sicherlich auch neue Entscheidungen in abgelehnten Fällen zu. Diese werden dann von Amts wegen bei einer zentrale Stelle durch besonders geschulte und erfahrene Sachbearbeiter und Gutachter überprüft und gegebenenfalls neu entschieden. Durch diese Maßnahmen wird aufgrund bestehender Gesetzeslage durch entsprechende Verwaltungsanwendung auch garantiert, dass die legitimen Rechte der Opfer in Übereinstimmung mit ihren Verbänden gewahrt werden. Im Übrigen möchte ich daran erinnern, dass im Verlaufe der Ausschussberatungen die Bundesregierung gebeten wurde, einen Bericht vorzulegen. Sie hat dies für Herbst dieses Jahres zugesagt. Die CDU/CSU-Fraktion bringt nun einen Entwurf für ein Drittes Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht ein. Schon im Herbst des vergangenen Jahres, als wir über die Verbesserung der rehabilitierungsrechtlichen Vorschriften diskutiert haben, spielte die Einführung einer Ehrenpension eine Rolle. Die konkreten Fakten hat Herr Nooke genannt. Ich muss Sie an dieser Stelle fragen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU: Warum wecken Sie jetzt mit Ihren Vorstellungen bei den Betroffenen unerfüllbare Hoffnungen? Schließlich hatten Sie acht Jahre Zeit, um Ihre Vorstellungen umzusetzen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Um auf einen Teil Ihrer Rede einzugehen, Herr Nooke – Sie haben eben selbst zu Recht gesagt, es sei immer eine Frage des politischen Willens –, sage ich Ihnen, dass es Ihnen hier am politischen Willen gefehlt hat. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang an Folgendes erinnern: Im Jahre 1992 legte die CDU/CSU-F.D.P.-Regierung einen Entwurf eines strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vor. Dieser sah eine Kapitalentschädigung in Höhe von "300 DM" vor. Am 17. Juni 1992 haben 42 Abgeordnete Ihrer Fraktion in einer Erklärung betont, dass es Aufgabe der Bundesregierung gewesen wäre, einer Ehrenschuld des Staates von solchem Rang durch entsprechende finanzielle Umschichtungen im Haushalt zur gerechten Erfüllung zu verhelfen. Dieser Aufgabe ist sie nicht gerecht geworden. Ein finanzwirksames Gesetz kann jedoch nicht gegen den Bundesfinanzminister finanziell aufgestockt werden. So weit das Zitat aus der 12. Wahlperiode. Interessant ist übrigens – das werden Sie feststellen, wenn Sie das einmal nachlesen –, dass zu den Unterzeichnern auch Abgeordnete gehören, die nun in der Opposition ganz andere Forderungen aufmachen, wie zum Beispiel Frau Merkel. Sie verlangen wider besseres Wissen von uns, was sie selber nicht gemacht haben. Erst im Vermittlungsausschuss wurde auf Druck der SPD-Seite der Betrag für diejenigen, die nach der Haft in der ehemaligen DDR verbleiben mussten, auf 550 DM angehoben. Die neue Regierung hat diese Ungerechtigkeit beseitigt und die Kapitalentschädigung einheitlich auf 600 DM angehoben. Haben Sie das alles vergessen? Vergessen zu haben scheinen Sie auch, dass die Verbesserungen der rehabilitierungsrechtlichen Leistungen Ende des vergangenen Jahres im federführenden Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder einstimmig angenommen wurden. Herr Nooke sprach vorhin wider besseres Wissen von "Billiglösungen". Übrigens waren Ihnen die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt. Deshalb muss ich noch einmal auf einen Teil der Begründung Ihres Gesetzentwurfs eingehen. Dort heißt es: Die bisherigen fiskalpolitisch motivierten Überlegungen, die einer solchen angemessenen Würdigung bislang entgegengestanden haben, lassen sich angesichts der vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Entscheidungen vom 28. April 1999 zu Fragen der Überleitung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands und der Umsetzung dieser Entscheidungen durch die Bundesregierung nicht länger aufrechterhalten. (Günter Nooke [CDU/CSU]: So ist es!) Anzumerken ist hierzu, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen deutlich gemacht hat, dass die teilweise drastischen Entgeltbegrenzungen im Rahmen der Rentenüberleitung kein rentenrechtlich taugliches Element zur Vergangenheitsbewältigung sind. Klarzustellen ist außerdem, dass Sie es waren, die die Entgeltbegrenzungen der ersten frei gewählten Volkskammer nicht akzeptiert haben. Sie sind mit den von Ihnen vorgenommenen weiteren Verschärfungen bewusst ein hohes verfassungsrechtliches Risiko eingegangen. Das Gericht hat in diesem besonders kontrovers diskutierten Bereich der deutschen Einigungsprozesses nun eine notwendige Klärung herbeigeführt – insofern haben Sie mit dem, was Sie in Ihrer Begründung gesagt haben, vollkommen Recht – und logischerweise die Bundesregierung zur Umsetzung dieser Gerichtsurteile aufgefordert. So weit zu diesem Thema. Ausführlich werden wir in den Ausschüssen auch Ihre Drucksache 14/3670 diskutieren. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von beiden Seiten der Opposition, sich wirklich noch einmal über die von mir genannten Fakten Gedanken zu machen. Die weitere Diskussion sollte dann natürlich intensiv in den Ausschüssen erfolgen. Ich danke Ihnen fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat das Wort der Kollege Jürgen Türk, F.D.P. Fraktion. Jürgen Türk (F.D.P.): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon Ende letzten Jahres, als wir das zweite Rehabilitierungsgesetz diskutierten, habe ich deutlich gemacht, dass wir, weil es einen Fortschritt in der Sache darstellt, ihm zustimmen, habe aber auch deutlich gemacht, dass es keineswegs ausreicht, (Günter Nooke [CDU/CSU]: Da waren wir uns einig!) denn eine entsprechende Wiedergutmachung darf tatsächlich nicht an der Finanzlage scheitern. Die F.D.P. Fraktion hat deshalb damals bei der Beratung des Gesetzentwurfes einen Entschließungsantrag eingebracht. Er sah vor, den Opfern eine Opferpension zu gewähren und Beweiserleichterungen für die Anerkennung von Gesundheitsschäden von Verfolgten einzuführen. Die eine Forderung findet sich im Gesetzentwurf der CDU/CSU wieder, die andere ist im PDS-Antrag enthalten. Die Zuerkennung einer Opferrente für politisch Verfolgte ist eine der Hauptforderungen auch der Opferverbände und wohl auch eine berechtigte. Die Betroffenen klagen seit Jahren darüber, dass eine solche Rente den Verfolgten des Nazi-Regimes in der ehemaligen DDR von Anfang an – richtigerweise – anstandslos gewährt wurde, sie selber aber aus Finanzierungsgründen, wie immer wieder betont wurde, leer ausgingen. Dabei hätte man beispielsweise die aus natürlichen Gründen frei werdenden Mittel des Nazi-Opfer-Fonds umwidmen können – das haben wir damals vorgeschlagen; ich glaube, das geht auch heute noch – für die Opfer der SED-Diktatur, ganz davon abgesehen, dass Finanzminister Eichel jetzt unvermutet viele zusätzliche Milliarden DM zusätzlich in die Kasse bekommt. Die Situation ist also eine andere. Die Betroffenen erfüllt mit zusätzlicher Verbitterung, dass aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1999 zu Fragen der Überleitung von Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR ihre einstigen Peiniger und Verfolger materiell jetzt oft deutlich besser gestellt sind als sie selbst. Das ist in der Tat fatal. Über diesen Punkt müssen wir gemeinsam nachdenken. Wenig befriedigend ist auch, dass Opfer, die aufgrund der Verfolgung dauerhafte Gesundheitsschäden erlitten haben – auch das ist in Ihrem Antrag erwähnt –, kaum eine Chance haben, dass diese anerkannt werden. 95 Prozent dieser Anträge werden abgeschmettert, weil der Nachweis haftbedingter Krankheit natürlich äußerst schwierig ist. Welcher DDR-Haftarzt hat schon als Grund für eine Krankheit "Misshandlung" angegeben? Deshalb sind wir, so meine ich, den Opfern Beweiserleichterungen schuldig. Ich plädiere dafür, den Gesetzentwurf der CDU/CSU um diesen Punkt zu ergänzen. Er würde dann unsere uneingeschränkte Zustimmung finden. Zustimmen könnten wir auch dem PDS-Vorschlag, dass die Gewährung der Entschädigung von Amts wegen vorzunehmen ist. Aber vielleicht schaffen wir es – das würde eine große Ausnahme darstellen –, im Ausschuss einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Darüber würden wir uns sehr freuen. Vielen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU (sowie bei Abgeordneten der PDS) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Jetzt hat der Kollege Hans-Christian Ströbele vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Nooke, Sie wollen den Opfern der DDR-Diktatur eine monatliche Rente von 1 000 DM geben, längstens zehn Jahre. Sie wollen außerdem Nachzahlungen für Kapitalentschädigungen in Höhe von insgesamt 800 Millionen DM zahlen. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf ehrlicherweise die Zahlen genannt: 1,5 Milliarden DM würden die Renten kosten. Auf zehn Jahre gesehen sind das Kosten in Höhe von 15 Milliarden DM. Vielleicht liegt der Betrag ein wenig niedriger, weil der eine oder die andere Betroffene inzwischen gestorben ist. Entsprechende Überlegungen sind schon häufiger im Bundestag und in den Ausschüssen angestellt worden. Diese sind vom Grundansatz her auch richtig. Das geschehene Unrecht kann man zwar nicht wieder gutmachen, aber man kann den Opfern für die erlittenen Leiden Geld zahlen. Das ist grundsätzlich richtig. Als die Damen und Herren von der CDU/CSU diese Überlegungen unterschrieben haben: Was haben Ihre Kollegen Ihnen gesagt, warum in den acht Jahren, in denen das Geld vorhanden war und in denen sie die Macht im Parlament hatten, entsprechende Regelungen zu verabschieden, diese Überlegungen nicht umgesetzt wurden? Die Idee war ja nicht neu; sie gab es schon damals. Warum sind entsprechende Maßnahmen damals nicht eingeleitet worden? Es gibt auf diese Frage nur eine einzige Antwort: Sie wollten das damals nicht, weil die Prioritätensetzung, die Sie jetzt anmahnen – jetzt sagen Sie, man müsse andere Vorhaben im Augenblick sein lassen, damit man diese 15 Milliarden DM plus 800 Millionen DM zur Verfügung stellen kann –, damals eine andere war. Warum wollen Sie sie jetzt? – Weil Sie genau wissen, dass Sie dafür keine Verantwortung tragen. Sie können entsprechende Vorschläge machen, aber nicht beschließen. Damit können Sie in der Öffentlichkeit für sich Reklame machen. Was aber nicht in Ordnung ist: Damit wecken Sie Hoffnungen bei Menschen, die möglicherweise Anspruch auf eine solche Ehrenrente hätten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Auf diese Weise kann man mit dem Thema nicht umgehen. Sie wissen ja auch aus Ihrer eigenen Regierungszeit, dass das entsprechende Geld nicht vorhanden ist. Es geht nicht nur um die 1 000 DM, sondern es geht in der Summe – ich habe es zusammengerechnet – um Milliardenbeträge, die angesichts der ungeheuren anderen Lasten und Zahlungen, die schon geleistet werden, nicht zur Verfügung stehen. Wir waren bestrebt – wir haben das schon damals angemahnt; seinerzeit gehörten Sie noch den Bündnisgrünen an –, (Günter Nooke [CDU/CSU]: Ich war nie bei den Grünen!) dass wenigstens Gerechtigkeit geschaffen wird, dass Gerechtigkeit für die Opfer in West und Ost geschaffen wird. Das haben wir gemacht. Das haben wir Ende des letzten Jahres auf den Weg gebracht. Wir haben verabschiedet, dass der Tag Untersuchungshaft oder Strafhaft im Westen genauso viel gilt und mindestens genauso viel an Entschädigung bringt wie im Osten. Nicht einmal das haben Sie damals hinbekommen. Deshalb können Sie jetzt unmöglich einen solchen Vorschlag unterbreiten. Es gibt auch noch einen inhaltlichen Grund. Sie können doch nicht jemanden, der berufliche Nachteile hatte, mit jemandem gleichsetzen, der vielleicht fünf Jahre im Gefängnis gewesen ist. Das tun Sie aber in Ihrem Gesetzentwurf. Sie können doch nicht demjenigen, der fünf Jahre im Gefängnis gewesen ist, 1 000 DM pro Monat gewähren und demjenigen, der zwei Wochen im Gefängnis gewesen ist oder berufliche Nachteile hatte, ebenfalls. Das wäre doch für diejenigen, denen gegenüber Sie das rechtfertigen müssten, eine ungeheuer ungerechte Lösung. Deshalb ist auch immanent gedacht die Vorstellung, die Sie hier entwickelt haben, nicht richtig. Wir wehren uns dagegen, weil damit nicht erfüllbare Ansprüche geweckt werden. Diese Attitüde sollten Sie als ehemaliger Bündnisgrüner – wir mussten das auch tun – endlich einmal ablegen. (Günter Nooke [CDU/CSU]: Ich war nie Grüner!) Ich komme nun zu den Vorstellungen der PDS. Ich verstehe – ich finde es auch grundsätzlich richtig –, dass man zum Jahrestag am 3. Oktober, – so haben Sie das auch gemeint – ein auch materielles Zeichen setzen will. Die Zeichen, die Sie setzen wollen, sind dafür aber ungeeignet. Wir können uns gern überlegen, ob uns noch etwas anderes einfällt. Das ist ja noch ein paar Monate hin. Aber sozusagen aufgedrängte Nachzahlungen zu fordern, zu fordern, die Leute erst noch zu suchen, um ihnen Nachzahlungen zu gewähren, obwohl sie gar keinen Antrag stellen, halte ich für den falschen Weg. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass das einen ganz erheblichen bürokratischen Aufwand verursacht, der viel Geld kostet. Dieses Geld sollte man lieber den Opfern direkt zukommen lassen. Das heißt, man könnte sich überlegen, eine Kampagne zu machen, öffentliche Hinweise zu geben, damit diejenigen, die anspruchsberechtigt sind, Anträge stellen. Man könnte vielleicht auch die Vertreterverbände finanziell in die Lage versetzen, wirksamer zu verbreiten, dass Anträge gestellt werden können. Das fände ich richtig und vernünftig. Hinsichtlich der Leute, die aufgrund einer abgebrochenen schulischen Ausbildung Nachteile haben, halte ich das für problematisch, weil ein hypothetischer Lebenslauf berechnet werden müsste. Das ist mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden. Für die Opfer, die für gesundheitliche Haftschäden eine Entschädigung haben wollen, müssen nachweisen, dass aufgrund der Haft eine Gesundheitsschädigung entstanden ist. Das ist ungeheuer schwierig, darin gebe ich Ihnen Recht. Dieses Problem sind wir aber angegangen. Es ist zugesagt, dass – das halte ich für wesentlich wirksamer – alle alten Entscheidungen noch einmal nach den neuen Vorschriften überprüft werden. Das wird auch getan. Der Deutsche Bundestag sollte aufpassen, dass das auch tatsächlich umgesetzt wird. Er sollte seine Kontrollfunktion ausüben. Dann ist diesen Opfern mehr geholfen. Für das Setzen von Signalen bin ich immer gern zu haben. Das wären aber nicht die richtigen, praktikablen Zeichen, die man zum 3. Oktober zu setzen hat. Seien wir realistisch! Versuchen wir nicht, ungerechtfertigte Forderungen zu erheben! In den Beratungen sollten Sie von diesen Vorschlägen Abstand nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin
Anke Fuchs: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung
der Vorlagen auf Drucksachen 14/2928, 14/3665 und 14/3670 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit
sind Sie einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen. |
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