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Der DDR-Rechtsanwalt Gregor Gysi und seine ehemaligen Mandanten

Gregor Gysi


"Wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewußt verleugnet wurde, da ist das Gesetz nicht etwa nur "unrichtiges Recht", vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur." Gustav Radbruch


Hart und mit allen juristischen Bandagen kämpft Gregor Gysi gegen den öffentlich erhobenen Vorwurf, er habe als Anwalt in der DDR falsch gehandelt. Er habe gegenüber seinen ehemaligen Mandanten die anwaltlichen Pflichten verletzt. Er habe das Vertrauen gebrochen, das ein Mandant auch in der DDR in seinen Anwalt setzen durfte. Er habe seine Mandanten an die Staatssicherheit verraten.

Schnell, wird von Gysis politischen Gegnern ein Einwand seinerseits abgetan. Ein Einwand von ihm, der auf die Umstände in der DDR hinweist.
Viel zu schnell, denn in der Tat: Welche Rolle spielte der Anwalt in der DDR? In welchem gesetzlichen Rahmen bewegte er sich? Wie viel darf man als Untersuchungsgefangener in einer Untersuchungshaftanstalt, wie etwa denen des Ministeriums für Staatssicherheit, überhaupt einem Anwalt anvertrauen?

Sicher, das Strafrecht der DDR kannte eine Vorschrift, die unserem jetzigen § 203 des Strafgesetzbuches (Verletzung von Privatgeheimnissen) zu ähneln scheint. Es bestimmt das Strafgesetzbuch der DDR (siehe Anm.1):

„§ 136 Verletzung des Berufsgeheimnisses
Wer vorsätzlich als Rechtsanwalt ... Tatsachen, die ihm in seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder bekannt geworden ist und an deren Geheimhaltung ein persönliches Interesse besteht, offenbart, ohne dazu gesetzlich verpflichtet ... zu sein, wird mit Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.“


Allerdings scheint diese Norm nur zu ähneln. Sie lief nach dem Willen der Machthaber gerade dann leer, wenn dem Rechtsanwalt die Pflicht auferlegt war, das Privatgeheimnis zu brechen. Wann diese Pflicht bestand, legt der amtliche Kommentar noch einmal offen (siehe Anm.2):

„Nach § 225 ist jedermann zur Anzeige verpflichtet, der von dem Vorhaben, der Vorbereitung oder der Ausführung eines ... in dieser Bestimmung genannten schweren Verbrechen ... glaubwürdige Kenntnis erlangt. Das trifft auch für den in § 136 genannten Personenkreis zu.“

Welche „Taten“ waren in der DDR anzeigepflichtig? Wir lesen im Strafgesetzbuch der DDR zum Beispiel:

§ 225 Anzeigepflicht (Auszüge der hier relevanten Absätze)
Abs. I: Wer von dem Vorhaben, der Vorbereitung oder der Ausführung
1. eines Verbrechens gegen den Frieden und die Menschlichkeit ( §§ 85 bis 89, 91 bis 93)
2. eines Verbrechens gegen die Deutsche Demokratische Republik ( §§ 96 bis 105, § 106 Absatz 2, §§ 107, 108, 109 Absatz 2, 110
5. eines Verbrechens oder Vergehens gegen die allgemeine Sicherheit oder gegen die staatliche Ordnung ( §§ 185, 186, 190, 198, 213 Abs. 3)
8. eines Verbrechens oder Vergehens der Fahnenflucht ( § 254)
9. vor dessen Beendigung glaubwürdig Kenntnis erlangt und dies nicht unverzüglich zur Anzeige bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.
Abs. IV: Die Anzeige ist bei einer Dienststelle der Sicherheitsorgane oder der  Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik zu erstatten.

Zu weit würde es hier führen, all die oben zitierten „Straftatbestände“ im Wortlaut aufzuführen. Allesamt sind es „Tatbestände“, die ausschließlich Werkzeuge politischer Verfolgung darstellen. (siehe Anm. 3) . Nur beispielhaft sei hier zitiert:

§ 99, Landesverräterische Nachrichtenübermittlung
Abs. I: Wer der Geheimhaltung nicht unterliegende Nachrichten zum Nachteil der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik an die im § 97 genannten Stellen oder Personen übergibt, für diese sammelt oder ihnen zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zwölf Jahren bestraft.
Abs. II: Vorbereitung und Versuch sind strafbar.

Die Kontaktaufnahme zu folgenden Institutionen und Organisationen hat nach Erkenntnis der Gefangenenhilfsorganisation „amnesty international“ aus dem Februar 1989 zur strafrechtlichen Verfolgung der betreffenden Personen nach oben genannter Vorschrift geführt (siehe Anm. 4):

- Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)
- Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin
- Militärmission der USA in Potsdam
- Internationale Gesellschaft für Menschenrechte
- amnesty international
- Hilferufe von Drüben

Die ersten drei Institutionen waren offiziell in der DDR tätig. Auf den Versuch der Kontaktaufnahme mit den Vereinten Nationen ist Berichten zufolge in einer Anklageschrift gegen Ausreisewillige ebenfalls Bezug genommen worden.

Halten wir weiter fest: wusste ein DDR-Anwalt über Verbindungen seines Mandanten zu den oben genannten Institutionen und Organisationen, so hatte er zu plaudern. Wenn nicht, machte er sich selbst strafbar. Und Rechtsanwälte werden als „Täter“ für gewöhnlich härter angefasst und zu höheren Haftstrafen verurteilt als Normalbürger. Weil der Staat von ihnen besondere Gesetzestreue verlangt. In jedem politischen System. Erst recht natürlich in der DDR. Zudem hat ein zu Haftstrafen verurteilter Rechtsanwalt für meist das ganze restliche Leben seine Anwaltszulassung verloren. In jedem politischen System. Und in besonderem Maße in einem Staat wie der DDR.

Kann man wirklich allen Ernstes davon ausgehen, ein DDR-Anwalt habe das alles in der Regel riskiert? Und nur Ausnahmefälle seien von „ihrer Schweigpflicht“ abgewichen? Wohl kaum.

Wem gegenüber hatte nun aber der Rechtsanwalt zu plaudern?

Ein Hinweis an alle, die es nicht wissen: die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit waren keine unsichtbaren Geister, die im Tarnmantel durch das Strafprozessrecht der DDR huschten. Die Strafprozessordnung der DDR erklärt sie sehr offen und genau (siehe Anm. 5):

„§ 88 Untersuchungsorgane sind
 (Auszüge der hier relevanten Absätze)

Abs. II: Untersuchungsorgane sind:

2. Die Untersuchungsorgane des Ministeriums für Staatssicherheit.

Alt und ungewohnt klingt uns heute das Wort „Untersuchungsorgane“. Mangels anderer Vergleichsmöglichkeiten verweise ich auf den „Hilfs- beamten der Staatsanwaltschaft“. Es ist bekannt, dass nicht zuerst der Staatsanwalt die Gesetzesbrecher jagt. Nein, das erledigt ein fleißiger und schnell kombinierender Polizei-Kommissar, ein Polizist. Der stellt in unserer Zeit auch die ersten Fragen in der Polizei- oder Untersuchungshaft.

Ohne Gleichsetzungen vornehmen zu wollen: eine ähnliche Stellung hatte das Ministerium für Staatssicherheit. Dazu unterhielt das Ministerium 15 Bezirksverwaltungen mit eigener Untersuchungshaftanstalt, die völlig von den polizeilichen Untersuchungsorganen getrennt "ermittelten".

Aber zurück zum Thema: Wem gegenüber hatte also der Strafverteidiger der DDR in einem politischen Prozess zu plaudern? Ja eben. Genau. Es bestimmt das Strafgesetzbuch der DDR ja:

§ 225 Anzeigepflicht (Auszüge der hier relevanten Absätze)
Abs. IV: Die Anzeige ist bei einer Dienststelle der Sicherheitsorgane oder der  Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik zu erstatten.

Und die Strafprozessordnung:

„§ 95 Abs. I: ... die Untersuchungsorgane sind verpflichtet, jede Anzeige oder Mitteilung entgegen zu nehmen ...“

Halten wir fest: verpetzte ein DDR-Strafverteidiger die West-Verbindungen seines Mandanten an die Staatssicherheit, so brach er damit nicht seine DDR-anwaltlichen Pflichten. Nein, er erfüllte sie.

Das Problem in der Biographie des ehemaligen DDR-Anwaltes Gregor Gysi liegt somit viel tiefer:

So wie der Anwalt in einem Rechtsstaat ein Organ der Rechtspflege ist, so ist ja der Anwalt in einem Unrechtsstaat ein Organ der Unrechtspflege.

Einen Vorwurf trifft deshalb nicht nur die graue Eminenz der PDS, Gregor Gysi. Einen Vorwurf trifft vor allem den Bundesdeutschen Gesetzgeber.

Was für eine Fehlbewertung im Range des Verfassungsrechts hat doch der Einigungsvertrag getroffen:

- als er grundsätzlich alle in der DDR ausgebildeten und dort praktizierende
  Anwälte für geeignet hielt, Rechtsanwälte in einem Rechtsstaat zu sein
 (siehe Anm. 5).
- als er alle Urteile-Fäller der DDR-Justiz für grundsätzlich geeignet hielt,
  Richter in einem Rechtsstaat zu sein (siehe Anm. 7).
- als er das bundesdeutsche erste juristische Staatsexamen einer Prüfung
  zum Diplom-Juristen für den Dienst in der DDR gleichsetzt (siehe Anm.8).

Als die alte Bundesrepublik - ohne Not und mit der Chance, den Kalten Krieg gewinnen zu können - diesen Einigungsvertrag unterschrieb. Einen Einigungsvertrag, der den Rechts- und den Unrechtsstaat gleichberechtigt und nebeneinander und auf eine Stufe stellte. Jetzt haben wir den Salat.


Die Bundesrepublik wird noch lange an der Rechtspraxis der DDR und ihrer damals wie heute aktiven Rechtsvertreter zu kauen haben.


Gustav Radbruch, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie, erster deutscher Rechtsprofessor, 1919 Mitglied der SPD, Mitglied des Reichstags und Justizminister, 1933 von den Nazis entlassen, nach dem Krieg wieder Professor in Heidelberg und die moralische Instanz der BRD Rechtswissenschaft der Nachkriegsjahre. Aufsatz 1946: "Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht". Quintessenz: es gibt gesetzliches Recht, das Unrecht ist und von niemandem anerkannt werden muß. Die sogenannte Radbruchsche Formel:

"Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, daß das positive durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, daß der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, daß das Gesetz als »unrichtiges Recht« der Gerechtigkeit zu weichen hat."

Ene ähnliche Rechtsauffassung vertrat bereits Thomas v. Aquin (1225-1274):

"Wie das geschriebene Gesetz dem Naturrecht nicht die [verpflichtende] Kraft erst gibt, so kann es auch seine Kraft nicht mindern oder aufheben; denn auch der menschliche Wille kann die Natur nicht ändern. Wenn deshalb das geschriebene Gesetz etwas gegen das Naturrecht enthält, ist es ungerecht, und hat nicht die Kraft zu verpflichten; denn nur dort kommt das geschaffene Recht überhaupt in Frage, wo es dem Naturrecht gegenüber nichts ausmacht, ob etwas so oder anders bestimmt ist. Deshalb werden solche Schriften auch nicht Gesetze genannt, sondern eher Verderbnis des Gesetzes."

(Zitat aus: summa theologica, Antwort auf die 60. Frage, Art. 5)


zu Anmerkung1)
Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik -StGB-
vom 12. Januar 1968 in der Neufassung vom 19. Dezember 1974 ( GBl. I 1975 Nr. 3 Seite 14 ) sowie in der Fassung des 2. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 7. April 1977 ( GBl. I Nr. 10 S. 100), und des Gesetzes über gesellschaftliche Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik -GGG- vom 25. März 1982 ( GBl. I 1982 Nr. 13 Seite 269 )

zu Anmerkung2) Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, Kommentar, herausgegeben vom Ministerium der Justiz und der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR Potsdam-Babelsberg, Staatsverlag der DDR, 4. durchgesehene Auflage, S. 334 ):

zu Anmerkung 3) Für den ganz Interessierten sei zitiert:
§ 85 Planung und Durchführung von Aggressionskriegen
§ 86 Vorbereitung und Durchführung von Aggressionsakten
§ 87 Anwerbung für imperialistische Kriegsdienste
§ 88 Teilnahme an Unterdrückungshandlungen
Abs. I: Ein Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, der sich an kriegerischen Handlungen zur Unterdrückung eines Volkes beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu acht Jahren bestraft.
§ 89 Kriegshetze und -propaganda
§ 91 Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Abs. I: Wer es unternimmt ... Gruppen zu verfolgen, zu vertreiben, ganz oder teilweise zu vernichten oder gegen solche Gruppen andere unmenschliche Handlungen zu begehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
Abs. II:
§ 92 Faschistische Propaganda
§ 93 Kriegsverbrechen
§ 96 Hochverrat
Abs. I: Wer es unternimmt,
1.
2. das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik einem anderen Staat einzuverleiben.....
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft.
Abs. II In besonders schweren Fällen kann auf Todesstrafe erkann werden.
§ 97 Spionage
Abs. I: Wer Nachrichten oder Gegenstände, die geheim zu halten sind, zum Nachteil der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik für eine fremde Macht, deren Einrichtungen oder Vertreter oder für einen Geheimdienst oder für ausländische Organisationen sowie deren Helfer sammelt, an sie verrät, ihnen ausliefert oder in sonstiger Weise zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
Abs. II: Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
Abs. III: In besonders schweren Fällen kann auf lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Todesstrafe erkannt werde.
§ 98 Wer sich von den im § 97 Abs. I genannten Stellen oder Personen zum Zweck der Sammlung, des Verrats oder der Auslieferung von geheim zu haltenden Nachrichten zum Nachteil der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik
anwerben lässt, wird ebenfalls wegen Spionage bestraft.
§ 99 Landesverräterische Nachrichtenübermittlung
Abs. I: Wer der Geheimhaltung nicht unterliegende Nachrichten zum Nachteil der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik an die im § 97 genannten Stellen oder Personen übergibt, für diese sammelt oder ihnen zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zwölf Jahren bestraft.
Abs. II: Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
§ 100 Landesverräterische Agententätigkeit
Abs. I: Wer sich zu den im § 97 genannten Stellen oder Personen Verbindung aufnimmt oder sich zur Mitarbeit anbietet oder diese Stellen oder Personen in sonstiger Weise unterstützt, um die Interessen der Deutschen Demokratischen Republik zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
Abs. II: Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
§ 101 Geiselnahme etc.
§ 102 Lebensbedrohung
§ 103 Diversion
Abs. I: Wer Maschinen, volkswirtschaftliche oder militärische Anlagen, Gebäude, Transport- oder Verkehrseinrichtungen, Rohstoffe, Erzeugnisse oder Reserven, Unterlagen der Forschung oder der Wissenschaft oder andere für die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft, die Volkswirtschaft oder die Landesverteidigung wichtige Gegenstände, Materialien oder Einrichtungen zerstört, unbrauchbar macht, beschädigt oder in anderer Weise dem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzieht, um die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.
Abs. II: Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
Abs. III: In besonders schweren Fällen kann auf lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Todesstrafe erkannt werde.
§ 104 Sabotage
Abs. I: Wer
1. die planmäßige Entwicklung der Volkswirtschaft oder einzelner ihrer Zweige oder ihrer Betriebe oder die Erfüllung der Volkswirtschaftspläne;
2. die Tätigkeit der Organe des Staates oder gesellschaftlicher Organisationen;
3. die Verteidigungskraft oder die Verteidigungsmaßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik;
4. Die Außenwirtschaftsmaßnahmen des sozialistischen Staates
unter Missbrauch seiner Funktion oder berufliche Stellung oder unter Umgehung der sich daraus ergebenden Pflichten oder unter Irreführung der staatlichen oder volkswirtschaftlichen Organe oder durch andere Handlungen durchkreuzt oder desorganisiert, um sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu untergraben oder zu schwächen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.
Abs. II: Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
Abs. III: In besonders schweren Fällen kann auf lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Todesstrafe erkannt werden.
§ 105 Staatsfeindlicher Menschenhandel
Abs. I: Wer
1. um die Deutsche Demokratische Republik zu schädigen
2. im Zusammenhang mit den im § 97 genannten Stellen oder Personen Bürger der Deutschen Demokratischen Republik ins Ausland abwirbt, verschleppt, ausschleust oder deren Rückkehr in die Deutsche Demokratische Republik verhindert oder in sonstiger Weise an der Tat mitwirkt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.
Abs. II: Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
Abs. III: In besonders schweren Fällen kann auf lebenslängliche Freiheitsstrafe erkannt werden.
§ 106 Staatsfeindliche Hetze
Abs. I: Wer die verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik angreift oder gegen sie aufwiegelt, indem er
1. die gesellschaftlichen Verhältnisse, Repräsentanten oder andere Bürger der Deutschen Demokratischen Republik wegen deren staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit diskriminiert;
2. Schriften, Gegenstände oder Symbole zur Diskriminierung der gesellschaftlichen Verhältnisse, von Repräsentanten oder anderen Bürgern herstellt, einführt, verbreitet oder anbringt;
3. die Freundschafts- und Bündnisbeziehungen der Deutschen Demokratischen Republik diskriminiert;
4. Verbrechen gegen den Staat androht oder dazu auffordert, Widerstand gegen die sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu leisten;
5. den Faschismus oder Militarismus verherrlicht oder Rassenhetze treibt,
wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu acht Jahren bestraft.
Abs. II: Wer zur Durchführung des Verbrechens mit Organisationen, Einrichtungen oder Personen zusammenwirkt, deren Tätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik gerichtet ist oder das Verbrechen planmäßig durchführt, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren bestraft.
Abs. II: Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
§ 107 Verfassungsfeindlicher Zusammenschluss
Abs. I: Wer einer Vereinigung, Organisation oder einem sonstigen Zusammenschluss von Personen angehört, die sich eine verfassungsfeindliche Tätigkeit zum Ziele setzen, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu acht Jahren bestraft.
Abs. II: Wer einen verfassungsfeindlichen Zusammenschluss herbeiführt oder dessen Tätigkeit organisiert, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu acht Jahren bestraft.
Abs. III: Wer einen verfassungsfeindlichen Zusammenschluss fördert oder in sonstiger Weise unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft.
Abs. IV: Der Versuch ist strafbar
§ 108 Staatsverbrechen, die gegen einen verbündeten Staat gerichtet sind
In Verwirklichung der Prinzipien des sozialistischen Internationalismus und der internationalen Solidarität werden Verbrechen nach §§ 96 bis 107 auch dann bestraft, wenn sie gegen Staaten gerichtet sind, die mit der Deutschen Demokratischen Republik verbündet sind.
§ 109 Gefährdung internationaler Beziehungen
Abs. I:
Abs. II: Wer durch die Handlung einen Angehörigen eines anderen Staates oder Volkes tötet, wird gemäß § 112 ( Mord ) bestraft.
§ 110 Ein besonders schwerer Fall der in diesem Kapitel ( §§ 96 bis 111 ) genannten Verbrechen liegt insbesondere vor, wenn das Verbrechen
1. ... die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung .. in hohem Maße gefährdet;
2.
§ 185 Brandstiftung
§ 186 Schwere Brandstiftung
§ 190 Verursachen einer Katastrophengefahr
§ 198 Angriffe auf das Verkehrswesen
§ 213 Republikflucht
Abs. I: Wer widerrechtlich die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik passiert oder Bestimmungen des zeitweiligen Aufenthalts in der Deutschen Demokratischen Republik sowie des Transits durch die Deutsche Demokratische Republik sowie des Transits durch die Deutsche Demokratische Republik verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe oder Geldstrafe bestraft.
Abs. II: Ebenso wird bestraft, wer als Bürger der Deutschen Demokratischen Republik rechtswidrig nicht oder nicht fristgerecht in die Deutsche Demokratische Republik zurückkehrt oder staatliche Festlegungen über seinen Auslandsaufenthalt verletzt.
Abs. III: In schweren Fällen wird der Täter mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu acht Jahren bestraft. Ein schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn
1.
2.
3. die Tat mit besonderer Intensität durchgeführt wird;
4. die Tat durch Urkundenfälschung (§ 240 ), Falschbeurkundung ( § 242 ) oder
durch Missbrauch von Urkunden oder unter Ausnutzung eines Verstecks erfolgt;
5. die Tat zusammen mit anderen begangen wird;
6.
§249 Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten
§ 254 Fahnenflucht
Abs. I: Wer seine Truppe, seine Dienststelle oder einen anderen für ihn bestimmten Aufenthaltsort verlässt oder ihnen fernbleibt, um sich dem Wehrdienst zu entziehen, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu sechs Jahren bestraft.
Abs. II:
Abs. III:
Abs. IV:
zu Anmerkung 4) Deutsche Demokratische Republik, Rechtsprechung hinter verschlossenen Türen, Februar 1989, s. Auflage November 1992

zu Anmerkung 5) Strafprozessordnung der Deutschen Demokratischen Republik -StPO- vom 12. Januar 1968 in der Neufassung vom 19. Dezember 1974 ( GBl. I 1975 Nr. 4 Seite 62 ) sowie in der Fassung des 2. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 7. April 1977 ( GBl. I Nr. 10 S. 100 ), des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28. Juni 1979 ( GBl. I Nr. 17 Seite 139 ), des 4. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 18. Dezember 1987 ( GBl. I Nr. 31 S. 301 ) und des Gesetzes vom 18. Dezember 1987 zur Änderung und Ergänzung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozessordnung der DDR ( GBl. I Nr. 31 Seite 302 )

zu Anmerkung 6) Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands –Einigungsvertrag- vom 31.08.1990 (BGBl. II S.889), Anl. I zum EVertr. Kap. III Sachgebiet A Abschnitt IV Nr. 1 lit. a insbes. aa

zu Anmerkung 7) Anl. I zum EVertr. Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 lit. a

zu Anmerkung 8) Anl. I zum EVertr. Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 lit. y insbes. gg


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