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 Leipzig, 01.03.2001; von AP-Korrespondent Jörg Aberger
 
 Der «lange Schatten der Stasi» liegt weiter über dem MDR
 
 
 Beim Mitteldeutschen
          Rundfunk (MDR) kehrt einfach keine Ruhe ein: Fast täglich gibt es
          Meldungen über Moderatoren und Redakteure der Drei-Länder-Anstalt,
          die früher als Informelle Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für
          Staatssicherheit tätig waren. Nach «Fakt»-Moderatorin Sabine Hingst
          und dem Nachrichtenchef der Wortwelle MDR info, Ingolf Rackwitz, traf
          es jetzt die Moderatoren der Fernsehsendung «Hier ab vier» und des
          Reisemagazins «Biwak».
 
 «Hier ab vier»-Moderator Frank Liehr hat sich den Unterlagen der
          jetzt von Marianne Birthler geleiteten Stasi-Akten-Behörde zufolge
          gleich zwei Mal handschriftlich für eine inoffizielle Mitarbeit beim
          MfS verpflichtet. Horst Mempel, der das MDR-Magazin «Biwak»
          betreute, soll mehr als 30 Jahre für das Mielke-Ministerium
          gearbeitet haben. Ihm wird vorgeworfen, über das Intimleben und
          politische Aussagen von Kollegen berichtet zu haben. Dabei soll er
          sogar ihm anvertraute Post geöffnet und den Inhalt an das MfS
          weitergeleitet haben.
 
 Nur langsam versucht der MDR, die Stasi-Problematik des Senders auch
          öffentlich aufzuarbeiten. In der Live-Sendung «Der lange Schatten
          der Stasi» diskutierten am Mittwochabend unter anderem der langjährige
          Stasi-Akten-Beauftragte Joachim Gauck, MDR-Intendant Udo Reiter, der
          Publizist und Theologe Friedrich Schorlemmer sowie der Chefredakteur
          von Antenne Brandenburg beim ORB, Christoph Singelnstein. Gauck
          meinte, in der Diskussion um den öffentlichen Dienst müsse auf einer
          anderen «Debattenebene» geredet werden als die der «persönlichen
          Schuld». Der MDR suche immer nach strafrechtlich relevanten
          Kriterien. «Die Stasi-Überprüfungen fragen aber nicht nach Schuld,
          sondern nach Eignung», hielt er Reiter vor.
 
 In Einspielungen äußerten sich in der Sendung auch der
          Stasi-Mitarbeit beschuldigte MDR-Mitarbeiter. So sagte der vor kurzem
          enttarnte Michael Hametner, er habe über seine Verstrickungen nicht
          öffentlich sprechen wollen, damit «kein Schatten» auf seine Arbeit
          falle. Oliver Nix sprach von «Naivität». Singelnstein warf
          daraufhin dem MDR vor, er lasse beschuldigte Mitarbeiter die «Mitleidsbrille»
          aufsetzen.
 
 Kritik auch aus den eigenen Reihen
 
 Zu Wort kam in einer kurzen Einspielung auch Siegbert Schefke. Er
          hatte im Herbst 1989 Filmaufnahmen von den Leipziger
          Montagsdemonstrationen aus der DDR geschmuggelt. Heute freier
          MDR-Mitarbeiter, sagte Schefke: «Ich habe damals nicht meinen Kopf
          hingehalten und diesen Staat bekämpft, um jetzt vielleicht
          festzustellen, dass Kollegen dabei waren, mit denen ich heute
          vielleicht Tag für Tag zusammenarbeite. Da habe ich keinen Bock
          drauf.»
 
 Inzwischen rudert MDR-Intendant Reiter in Sachen Stasi-belasteter
          Mitarbeiter zurück. Bisher hatte er die Position vertreten, dass
          ausschließlich nach arbeitsrechtlichen Kriterien zu urteilen sei.
          Sein Tenor: «Ich bin Arbeitgeber und kein Ehrengericht.» Eine bloße
          IM-Tätigkeit habe eben kein Kündigungsgrund sein können.
 
 Doch jetzt sind von Reiter andere Töne zu hören: «Auch wenn ich
          jemanden nach dem Arbeitsrecht weiter beschäftigen muss, dann ergibt
          sich daraus sicher kein Anspruch darauf, vor die Kamera oder hinter
          das Mikrofon zu dürfen», sagte der Intendant. Bei der momentan
          anstehenden neuen Überprüfung durch die Birthler-Behörde werde er
          «abgesehen von der individuellen Verstrickung» auch danach schauen,
          ob der MDR als Sender durch die Beschäftigung ehemaliger IM an Glaubwürdigkeit
          einbüße. Reiter kündigte an, er werde nach Vorlage der Auskünfte
          «strenger und kritischer hinschauen, als ich dies möglicherweise in
          der Vergangenheit getan habe».
 
 Bereits Ende Januar hatte der Rundfunkrat des MDR beschlossen, sämtliche
          fest angestellten und festen freien Mitarbeiter der Anstalt auf eine
          Stasi-Tätigkeit hin überprüfen zu lassen. Betroffen davon sind rund
          4.000 Personen. Bei der ersten Überprüfung im Jahr 1991 waren
          lediglich alle leitenden und «programmrelevanten» Mitarbeiter sowie
          Beschäftigte in der Verwaltung vom Sachbearbeiter an aufwärts
          erfasst worden.
 
 Doch bei den freien Mitarbeitern könnte es problematisch werden: Wie
          Harald Both, Referatsleiter bei der Birthler-Behörde sagt, kann der
          MDR einen Antrag auf Auskunft stellen. «Wir prüfen dann anhand der
          einschlägigen Paragrafen im Stasi-Unterlagengesetz, inwieweit die
          Kriterien für die Überprüfung von Personen im öffentlichen Dienst,
          die auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten, angewendet
          werden können», sagte Both. Ob dann eine Auskunft erteilt werde, hänge
          vom Ergebnis dieser Überprüfung ab, die völlig neutral ablaufe.
 
 Es kann also noch eine Weile dauern, bis beim MDR wieder Ruhe
          einkehrt.
 
 
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