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Beitrag von Angelika Barbe

Deutschlandfunk - Politisches Feuilleton 4.5.1999 • 7.20

 Wie gerecht ist der Rechtsstaat? Oder: Die fatale Pauschalierung von Opfern und Tätern.


Der 28. April 1999 wird als schwarzer Mittwoch in die Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik eingehen. An diesem Tag wurden diejenigen vom obersten deutschen Gericht mit hohen Renten belohnt, die als geistige Urheber von Unterdrückung und als tätige Menschenrechtsverletzer der DDR-Diktatur gedient hatten. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sollten diejenigen, die uns 40 Jahre unterdrückt und 28 Jahre hinter Mauer und Stacheldraht gefangengehalten hatten - nicht auch noch unverdiente Privilegien genießen, die sie nicht ihrer Leistung, sondern ihrer Anpassung an das Regime verdankten.

Deshalb beschlossen wir 1990 in der ersten freigewählten Volkskammer parteiübergreifend, überhöhte Renten von Systemträgern des SED-Regimes auf die Durchschnittsrente zu kürzen. Keinesfalls sollten inkompetente SED-Parteifunktionäre, die den Bankrott der Wirtschaft zu verantworten hatten, verbrecherische Stasi-Vernehmer und verlogene Denunzianten für Vasallentreue mit Sonderrenten belohnt werden. In den Genuß solcher Altersprivilegien kamen in der Regel hauptamtliche Mitarbeiter des MfS und sämtliche SED-Nomenklaturkader also Personen, die entscheidende Funktionen in Partei, Staat und Gesellschaft einnahmen und vor allem für die Personalpolitik verantwortlich waren.

Uns ging es um Gerechtigkeit für die Millionen Arbeiter, Bauern und Angestellten in der DDR, die keine Ansprüche für Sonderrenten erwerben konnten. Sie waren die Betrogenen des Regimes, die mit geringen Löhnen und demzufolge niedrigen Renten abgespeist wurden. Denn auch, wer zu DDR-Zeiten als Koch, Kraftfahrer oder Sekretärin beim MfS, im SED-Parteiapparat oder sonstigem Ministerium arbeitete, bekam dafür ein wesentlich höheres Gehalt als sein Kollege, der die gleiche Tätigkeit im volkseigenen Betrieb verrichtete.

Wir forderten vor allem Gerechtigkeit für jene Millionen Menschen, die in 40jähriger kommunistischer Zwangsherrschaft für die Demokratie Opfer gebracht und sich dem System verweigert hatten, die Verfolgten, Geschädigten, Inhaftierten und Geflüchteten.

Wir wollten verhindern, daß sie noch im Alter für das ihnen angetane Unrecht durch Niedrigrenten büßen sollten, während die Täter auf Kosten der DDR-Billiglöhner überhöhte Renten einstrichen, sich die Hände rieben und alle verhöhnten, die sich zum eigenen Nachteil für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt hatten. Deshalb schlugen wir eine Einzelfallprüfung vor, die jeder Erwerbsbiographie individuell gerecht werden konnte. Auch der deutsche Einigungsvertrag versprach Gerechtigkeit. Es sollten überhöhte Renten derjenigen auf das Durchschnittsniveau gekürzt werden, die gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen oder ihre Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht hatten.

Allerdings wurden 1992 mit dem Rentenüberleitungsgesetz - im Gegensatz zu unseren Forderungen - Pauschalierungen beschlossen, die zu ungerechten Bewertungen führten. Nicht im Traum war uns eingefallen, Ballett-Tänzerinnen zu bestrafen, nur weil sie im Friedrichstadtpalast aufgetreten waren. Ebensowenig sollte die Rente des hochangesehenen Dirigenten der Komischen Oper, Professor Rolf Reuter, gekürzt werden, der Weltruhm genoß und ebenfalls von der Stasi verfolgt worden war. Die Betroffenen zogen vor die Gerichte, um gegen die fehlerhaften Einstufungen zu klagen.

Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, die in der Diktatur erworbenen Rentenansprüche generell, d.h. undifferenziert für Täter, Funktionsträger des SED-Regimes, Mitläufer und Opfer unter den Eigentumsschutz des Grundgesetzes zu stellen. Damit wird der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes gleich doppelt verletzt - gegenüber den SED-Opfern und der - mit Billiglöhnen und Billigrenten abgefertigten - DDR-Bevölkerung. Sie sind die wahren Betrogenen durch das jetzt gerichtlich zementierte Rentenstrafrecht der DDR. Konsequenzen dieses Urteils sind Triumphgesänge von SED-Funktionsträgern, die damit ihrem Ziel näher kamen, die DDR nachträglich zu legitimieren.

Rentenansprüche leiten sich bekanntlich aus der Versicherungszeit und der Gehaltshöhe ab. Da haben wir Rentenbeitragszahler aber Glück, daß sich die SED-Funktionäre nicht noch höhere Traumgehälter zuschanzten. Das aktuelle Rentenurteil des Bundesverfassungsgerichts vertieft außerdem die bisherige Gerechtigkeitslücke gegenüber den Verfolgten. Sie konnten nie Gehälter oder Renten der SED-Nomenklatur erreichen, weil sie von derselben daran gehindert wurden.

Wenn der Rechtsstaat die Gleichheit vor dem Gesetz für alle garantieren will, sind vor allem die bestehenden defizitären Rehabilitierungsgesetze zu ändern und ist eine Verfolgtenrente von 1.400 DM zu zahlen. Damit würde endlich ein Mindestanspruch der Geschädigten eingelöst. Das Urteil verpflichtet die Abgeordneten zwar, den Eigentumsschutz von Rentenansprüchen zu gewährleisten. Niemand zwingt sie jedoch dazu, Renten für SED-Systemträger auf überhöhtem Niveau zu beschließen. Oder wollen sie es tatsächlich zulassen, daß die Opfer und deren Kinder die Renten für Täter von Mielke bis Krenz finanzieren müssen?

Angelika Barbe: Biologin und CDU-Politikerin. Sie wurde 1951 in Brandenburg geboren und hat an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert. Angelika Barbe gehörte zu den Gründungsmitgliedern einer Sozialdemokratischen Partei in der DDR. Nach der Wende war sie Mitglied des Parteivorstandes der SPD und gehörte dem Bundestag von 1990 bis 1994 an. 1996 trat sie mit weiteren DDR-Bürgerrechtlern wie Günter Nocke und Vera Lengsfeld der CDU bei. Sie ist verheiratet und Mutter dreier Kinder.

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