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"Saturierte Ignoranz"



In Tutzing wurde über die Stellung der SED-Opfer in der Gesellschaft debattiert

Achim Beyer war 17 Jahre alt, als er mit fünf Freunden zusammen 1951 im sächsischen Werdau verhaftet wurde. Die Abiturienten hatten Flugblätter in der Stadt verteilt, auf denen sie demokratische Verhältnisse in der DDR und eine Wiedervereinigung mit dem Westen Deutschlands forderten. Beyer blieb fünfeinhalb Jahre in Haft, dann kam er frei und ging in den Westen. Acht Wochen nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis saß er einem Staatsanwalt in Bamberg gegenüber, der sein Rehabilitationsverfahren betreiben sollte. "Hätten Sie sich drüben anständig verhalten", sagte ihm der Staatsanwalt ins Gesicht, "dann wären Sie auch nicht ins Gefängnis gekommen."

Haben politisch Verfolgte aus der DDR, die ihr Land verlassen mussten, in der westlichen Demokratie eine neue Heimat gefunden? Gab und gibt die Bundesrepublik den Opfern des SED-Systems das Gefühl, gebraucht und beschützt zu sein? Die Antworten auf diese Fragen fielen bei einer Tagung in der politischen Akademie in Tutzing am vergangenen Wochenende bitter aus. Achim Beyers Erlebnis mit dem Bamberger Staatsanwalt, das wurde deutlich, war eher die Regel als die Ausnahme. Viele Emigranten fanden kaum oder schwer eine neue Heimat im Westen. Es mangelte ihnen an materieller Hilfe, an moralischer Unterstützung im Umgang mit dem bürokratischen System, an Zuwendung und Gesten, die das Gefühl geben, dazuzugehören. Beyer sprach von einer "saturierten Ignoranz" in der Gesellschaft.

Allianz zwischen Ost und West

Eine Ignoranz, da waren sich die meisten Gäste der Tutzinger Tagung einig, die bis heute anhält. Zwar werden die Verbrechen des SED-Systems nun öffentlich thematisiert; auf die materielle und soziale Stellung der Opfer habe dies aber kaum Auswirkungen. "Während Funktionäre und Stasi-Offiziere automatisch ihre Renten kriegen, die oft höher sind als unsere, müssen wir für jede zusätzliche Mark Anträge ausfüllen", erregte sich ein Tagungsteilnehmer. Sein bitteres Fazit: "Es lohnt sich mehr, der Diktatur zu dienen, als sie zu bekämpfen."

Auf die "vergessene Gruppe" der rund 2 000 schwer- und schwerstgeschädigten DDR-Sportler, die Opfer des Dopingsystems geworden seien, machte die Berliner Publizistin Ines Geipel aufmerksam. Die systematische und menschenverachtende Zerstörung der Körper hauptsächlich von Mädchen und jungen Frauen sei in der Dimension durchaus mit dem politischen Terror der SED in den Fünfzigern zu vergleichen, sagte sie. Politik, Wirtschaft und Sportverbände würden sich aber seit Jahren um die Aufarbeitung der Dopingproblematik herummogeln, weil viele der Mittäter von damals heute wieder in Verbänden und Pharmaunternehmen tätig seien. "Wir erleben einmal mehr, dass immer dann, wenn Allianzen zwischen Ost und West betroffen sind, abgebügelt und blockiert wird", sagte Ines Geipel.

Berliner Zeitung Montag, 28. Januar 2002, von Andreas Förster

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